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Maschinelles Oberflächenhämmern (MOH)


Die Gruppe der mechanischen Verfahren zur Oberflächenbehandlung werden genutzt, um oberflächennahe Eigenschaften von hochbeanspruchten Teilen anwendungsgerecht einzustellen. Durch das Einbringen von oberflächennahen Druckeigenspannungen, einer Härtesteigerung der Randschichtzone durch Kaltverfestigung und/oder der Erzeugung einer anwendungsoptimierten Oberflächentopografie durch Glättung oder Strukturierung bieten diese Verfahren die Möglichkeit einer Optimierung von Verschleiß, Reibung, Korrosionsbeständigkeit sowie statischer und dynamischer Festigkeit der behandelten Bauteile.


Das maschinelle Oberflächenhämmern (MOH) lässt sich als ein leistungsstarkes, inkrementelles mechanisches Verfahren in die Gruppe der direkt wirkenden Verfahren einordnen.

Bild 1: Gruppe der Verfahren zur mechanischen Oberflächenbehandlung


Es basiert ähnlich wie Kugelstrahl- beziehungsweise Walzprozesse (Festwalzen, Glattwalzen) auf der plastischen Deformation der Oberfläche, die sich als direktes Resultat des Werkzeugeingriffs ergibt. Anders als der direkte stochastische Prozess des Kugelstrahlens basiert das maschinelle Oberflächenhämmern auf der Grundlage, das ein bahngesteuertes System eine definierte Bahnführung des MHP vornimmt und diesen über die Werkstückoberfläche führt. Der Eindruckabstand a kann dabei über das Verhältnis zwischen der Vorschubgeschwindigkeit v und der Hämmerfrequenz f beschrieben werden [4].

Bild 2: Kinetische Energie / Schlagenergie


Ungeachtet des vorliegenden Hammersystems (z. B. elektro-magnetisch bzw. pneumatisch oder mechanisch basierte Aktuatoren) ist als eine maßgebliche Kenngröße des maschinellen Oberflächenhämmerns der Energieeintrag in das Werkstück, bereitgestellt durch die kinetische Energie der bewegten Masse, zu nennen. Als charakteristisches Bewegungsmerkmal kann damit die lineare Bewegung des Hammerkopfs auf die Werkstückoberfläche festgehalten werden.

Bild 3: Auszug der wesentlichen MHP Parameter


Der mit dem Werkstück in Kontakt tretende Teil des Hammerwerkzeugs ist im Allgemeinen kugelförmig ausgeführt und aus Hartmetall gefertigt. Das Verhältnis zwischen der resultierenden Kontaktfläche des Hammerkopfs und der Gesamtfläche des Werkstücks ist dabei gering [1]. Während des Kontaktes zwischen der Hammer-kopfspitze und der Werkstückoberfläche kommt es zu einem elastisch- plastischen Kontakt. Dieser Ablauf kann in einzelne Vorgänge eingeteilt werden. In Schritt eins beginnt der Kontakt zwischen dem Hammerkopf und der rauen Werkstückoberfläche. Die vorliegende kinetische Energie des Hammerkopfes Ek0(t) vor dem Auftreffen auf der Werkstückoberfläche wird bei Kontakt schrittweise abgebaut und in eine Formänderungsarbeit umgewandelt. Zunächst werden die Rauheitsspitzen der Oberfläche umgeformt bis im zweiten Schritt die kinetische Energie vollständig umgewandelt wurde (rote Linie, Bild 4) und eine elastisch- plastische Umformung stattgefunden hat. Der elastische Anteil der Umformung bewirkt eine Rückfederung, sodass eine Geschwindigkeit v1(t) des Hammerkopfes in entgegengesetzter Richtung des Bewegungspfades aufgebaut wird. Zurück bleibt eine plastisch deformierte Oberfläche (blaue Linie, Bild 4) mit eingebrachten Druckeigenspannungen.

Bild 4: Elastisch- plastische Umformung bei der MHP- Bearbeitung (Hammerkopf R 25mm)


Im Zuge der Anwendung des maschinellen Oberflächenhämmerns wird durch einen Aktuator ein Hammerwerkzeug in eine oszillierende Bewegung versetzt. Der Aktuator wird an eine Werkzeugmaschine beziehungsweise einen Roboter gespannt, um durch eine Relativbewegung zwischen Werkzeug und Werkstück das Bauteil durch eine Vielzahl einzelner, präzise aneinandergereihter Hammerschläge zu bearbeiten [1]. Die Wirkprinzipien des Verfahrens werden grundsätzlich in Systeme mit kontinuierlichem sowie Systeme mit periodischem Kontakt zwischen Werkzeug und Bauteiloberfläche eingeteilt. Bild 5 beschreibt die Systemcharakteristik einer periodischen und einer kontinuierlichen Kontaktbedingung. Dabei oszilliert bei der periodischen Kontaktbedingung die Hammerkopfspitze mit einem vorgegebenen Profil zwischen einem oberen Totpunkt und der Bauteiloberfläche mit einer definierten Amplitude. Bei der kontinuierliche Kontaktbedingung hingegen zwischen Werkstückoberfläche und der Hammerkopfspitze [5]. Diese Bearbeitung kann dabei mehrachsig NC-geführt auch auf unebenen, komplexen Bauteiloberflächen durchgeführt werden, wobei eine Behandlung auch direkt in der Aufspannung einer vorangegangenen, formgebenden Fräsbearbeitung des Werkstücks erfolgen kann [1].

Bild 5: Systemcharakterisierung geführter MHP- Prozesse [5]


Ein seit vielen Jahren weit etabliertes Anwendungsfeld des Oberflächen-hämmerns ist die Schweißnahtnach-behandlung. Durch diese Nachbehandlung werden primär die Schweißnahtspannungen reduziert und somit eine Erhöhung der Lebensdauer von Schweißkonstruktionen erreicht [3].

Bild 6: Verlauf der Eigenspannungen über a die Tiefe z [6]


Maschinelles Hämmern kann zudem zur Verlängerung der Standzeit von Tiefzieh- und Presswerkzeugen z.B. im Automobilbau genutzt werden. Gleichzeitig können die Polierkosten um etwa 30 % bis 50% reduziert werden.

Durch den NC-geführten Prozess kommt das maschinelle Oberflächenhämmern darüber hinaus auch im zunehmenden Maße beispielsweise im Bereich der Motorsport-Komponentenherstellung sowie der Bearbeitung metallischer Lager und Führungen im Zuge der Endteilefertigung zur Anwendung. Es kann an allen dynamisch belasteten Teilen zur Erhöhung der Betriebsfestigkeit eingesetzt werden. Spannungsrisskorrosion an chemisch belasteten Komponenten aus hochfesten, austenitischen Stählen kann unterdrückt oder beseitigt werden [1].

Bild 7: Prozesskette im Werkzeugbau


Gezielte Anpassungen der Randzoneneigenschaften von Bauteilen führen bei dynamisch hochbelasteten Bauteilen zu einer verzögerten Rissbildung und folglich zu einer verlängerten Lebensdauer. Durch mögliche Einstellungsvariationen zwischen Bearbeitungsfrequenz, Schlagenergie und Hammerkopfgeometrie lassen sich zudem Oberflächen anwenderspezifisch, z.B. zur Verbesserung der tribologischen Eigenschaften strukturieren.

Durch die Forderung nach Leichtbau und Leistungsverdichtung werden die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit von Bauteilen auch in Zukunft weiter steigen. Das maschinelle Oberflächenhämmern bietet in diesem Zusammenhang Vorteile, insbesondere wegen der flexiblen Einsatzmöglichkeiten an großen, nahezu beliebig geformten Flächen und der verbesserten Zugänglichkeit eng begrenzter Bereiche mittels Roboter und seiner hohen Bearbeitungsintensität eine hervorragende Ergänzung zu den traditionellen Verfahren wie dem Kugelstrahlen und Glatt- und Festwalzen.



[1] Verein Deutscher Ingenieure; VDI Richtlinien VDI 3416 Blatt1 Entwurf: Maschinelles Oberflächenhämmern. VDI- Handbuch Produktionstechnik und Fertigungsverfahren, Band 2: Fertigungsverfahren VDI-Handbuch Werkstofftechnik

[2] Sticht, P.; Bay, St.: „Robotergestützter Werkzeugbau für modellgetreue Oberflächen“; PbA-Treffen; Arbeitskreis Maschinen und Werkzeuge PTU/PTW; 2020

[3]Rahman, R.; Hütter, A.; Enzinger, N.: Influencing Welding Residual Stresses of HSS by Pneumatic Impact Treatment (PIT). Graz: Institute of Materials Science and Welding, Graz University of Technology; 2010

[4] Krall, St.: „Beeinflussung der Randschicht durch diskrete Mikroumformung“; TU Wien/IFT; Dissertation; 2019

[5] Sticht, P.; Klumpp, A; Krall, St.: „Abschlussbericht HaPTec- Weiterentwicklung des maschinellen Oberflächenhämmerns zur Ausweitung des industriellen Einsatzgebietes“; TU Darmstadt (PTU); Karlsruhe Institut für Technologie (IAM-WK); TU Wien/IFT

[6] Gerster, P.: „Erhöhung der Lebensdauer und Schwingfestigkeit durch die Pneumatic Impact Technology (PIT)“; Manustkript DGZfP; 2012

[7] Oechsner, M.; Wied, J.; Stock, J.: Influence of Machine Hammer Peening on the Tribology of Sheet Forming. Advanced Materials Research 966/967 (2014), pp. 397–405
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